Trotz Behinderung aktiv ein Fahrzeug zu fahren, diesen Wunsch nach Selbstständigkeit, Unabhängigkeit und Flexibilität können sich heutzutage viele Menschen mit einer körperlichen Einschränkung erfüllen. Wird die Fahrerlaubnis erstmalig erworben, so unterscheidet sich die Ausbildung kaum von der für Menschen ohne körperliches Handicap. Es muss sowohl ein theoretischer als auch ein praktischer Teil entsprechend der allgemeinen Ausbildungspflicht absolviert werden. Der maßgebliche Unterschied beim Erwerb einer Fahrerlaubnis mit Behinderung liegt in der Beibringung von Nachweisen betreffend der persönlichen Fahrttauglichkeit unabhängig von der vorliegenden Einschränkung.
Der Führerschein für Personen mit körperlicher Einschränkung muss auch nicht unbedingt teurer sein, und es werden im Durchschnitt auch nicht mehr Fahrstunden bis zur Prüfungsreife benötigt. Ausschlaggebend sind eher die persönliche Begabung, vorhandenes Interesse und vielleicht das Alter. Schwieriger sind eventuell mangelnde kognitive Fähigkeiten oder fehlendes Kraftvermögen.
Rat bei spezialisierten Fahrschulen einholen
Ein höherer Kostenaufwand kann jedoch durch erforderliche Begutachtungen oder den Besuch einer speziellen, nicht am Wohnort befindlichen Fahrschule und somit einem zusätzlichen zeitlichen und preislichen Mehraufwand für die Anfahrt entstehen. Zudem kommt ein zusätzlicher Zeitaufwand für behördliche Anträge, Wartezeiten auf angeforderte Dokumente etc. hinzu.
Bevor Sie jedoch irgendwelche Maßnahmen einleiten oder gar Anträge stellen, sollten Sie unbedingt eine spezialisierte Fahrschule mit entsprechender Erfahrung kontaktieren und sich bezüglich des geplanten „Weg (zurück) zum Führerschein“ beraten lassen. Auf diese Weise optimieren Sie nicht nur den Prozess, sondern verhindern auch, dass Ihnen gewisse Unterstützungsleistungen nicht mehr zur Verfügung stehen, weil diese unbedingt vor Beginn der entsprechenden Maßnahme beantragt werden müssen. Viele Mitgliedsbetriebe des VFMP e.V. arbeiten mit spezialisierten Fahrschulen zusammen oder betreiben sogar selbst eine. Fragen Sie also ruhig den VFMP-Umrüster Ihres Vertrauens!
Ärztliche Bescheinigung kann wichtig sein
Ebenso sollte der Wunsch einen Führerschein zu erwerben, vorab mit einem behandelnden Arzt besprochen werden. Bestmöglich stellt dieser für die weitere Vorgehensweise eine Bescheinigung über die bestehende Behinderung/Erkrankung unter Angabe folgender Punkte aus:
- Art der Einschränkung, medizinische Bezeichnung
- Seit wann (von Geburt an, Erkrankung, Unfall)
- Wie ist die Auswirkung auf den Körper vor allem auf Arme und Beine
- u.U. Körpergröße (bei unter 1,50m)
- Wie ist der Verlauf der Erkrankung (fortschreitend)
- Medikation (auch Angabe, wenn keine Medikamente genommen werden)
- u.U. Angaben zu Sehvermögen/ Gesichtsfeld, etc.
Ausschlusskriterien könnten zum Beispiel die regelmäßige Einnahme von Medikamenten, die das Führen von Fahrzeugen untersagen, ein nicht ausreichendes Sehvermögen, Epilepsie oder fehlende kognitive Fähigkeiten sein.
Individuelle Festlegung der Umbauten
Bei der Auswahl einer spezialisierten Fahrschule sollten Sie darauf achten, dass diese über ein Fahrzeug verfügt, das sich auf Ihre Behinderung anpassen lässt. Dafür steht ein breites Spektrum an Umbauten zur Verfügung, zum Beispiel
- Bedienung Gas- und Bremse auf Hand
- Lenkhilfe/ Lenkraddrehknauf
- Sekundäre Bedienhilfen (z.B. für Blinker, Hupe, etc.)
- Gaspedalverlegung nach Links
- Pedalverlängerung
- Sitzanpassung
Die letztendliche Entscheidung jedoch, ob beziehungsweise welche Führerscheinauflagen (später als Schlüsselzahlen im Führerschein vermerkt) tatsächlich verpflichtend sind, um die vorliegende Einschränkung mit technischen Fahr- und Bedienhilfen auszugleichen, wird erst im Laufe der Führerscheinausbildung, begleitend von der Fahrschule und zumeist abschließend in einer Fahr- oder Bedienprobe von einem Sachverständigen für den Bereich Fahrerlaubnis in einem Kraftfahrtechnischen Gutachten festgelegt.
Welche Gutachten erforderlich sein können
Sobald der Antrag auf Fahrerlaubnis bei der zuständigen Behörde gestellt wird, prüft diese, ob und wenn ja, inwiefern die körperliche oder geistige Beeinträchtigung einem sicheren Fahren entgegensteht. Zu diesem Zweck können Nachweise vom Antragsteller angefordert werden. Hierbei macht es keinen Unterschied, ob die anvisierte Fahrerlaubnis neu erworben wird, oder ob der bereits vorhandene Führerschein nach einem Unfall, einer Erkrankung oder einer Verletzung entsprechend der vorhandenen Behinderung angepasst werden muss. Das heißt die Beibringung von Nachweisen trifft auch auf Führerscheininhaber*innen zu, welche nach einer Verletzung oder Erkrankung wieder selbstständig mit entsprechenden Fahrzeuganpassungen fahren möchten.
Achtung: Die Nutzung von Fahrhilfen wie zum Beispiel eines Lenkraddrehknopfes oder eines Linksgases ohne entsprechenden Eintrag im Führerschein ist nicht zulässig!
Mögliche Nachweise, die angefordert werden, können sein:
- Medizinisches Gutachten: Hierbei handelt es sich um eine fachärztliche Untersuchung, die alle relevanten Informationen zur Beeinträchtigung und deren Ausprägung enthält, sowie etwaige Bedenken des Verkehrsmediziners gegen das Führen eines Kfz aus medizinischer Sicht enthalten kann. Bei fortschreitenden (progedienten) Erkrankungen wird diese Begutachtung in regelmäßigen Abständen erneut angefordert.
- Medizinisch-psychologisches Gutachten (MPU): Bestehen nach dem medizinischen Gutachten Zweifel, kann zusätzlich eine MPU angeordnet werden. Im Rahmen dieser werden eine medizinische Untersuchung, ein psychologischer Teil und Leistungstests verlangt.
- Kraftfahrtechnisches Gutachten: Vor allem bei Beeinträchtigungen des Bewegungsapparats wird ermittelt, mit welchen technischen Hilfsmitteln (Fahrhilfen) ein Fahrzeug sicher geführt werden kann. Entsprechende Auflagen werden später im Führerschein als Schlüsselzahlen aufgeführt.
- Fahrprobe: Je nach vorliegender Einschränkung kann zum Abschluss des Kraftfahrtechnischen Gutachtens eine Fahrprobe zur praktischen Überprüfung der möglichen Auflagen/Umbauten erforderlich sein.
Pflicht zur Vorsorge
Was ist, wenn eine Erkrankung oder Verletzung mit bestehender Fahrerlaubnis vorliegt, aber nicht unbedingt eine eintragungspflichtige Umrüstung notwendig wäre?
Eine Fahrerlaubnis kann, wenn sie einmal ausgegeben wurde, nicht ohne Begründung eingezogen werden. Es gibt also kein allgemeines Fahrverbot nach einer Erkrankung. Jedoch hat laut Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) jeder Autofahrer eine Vorsorgepflicht und eine große Eigenverantwortung eigenständig zur Sicherheit im Straßenverkehr beizutragen. Dazu gehört auch die Verantwortung, die eigene Fahrtauglichkeit zum Beispiel nach einem Schlaganfall objektiv einzuschätzen oder sich mittels einer Beobachtungsfahrt von einer spezialisierten Fahrschule zur derzeitigen Fahrkompetenz beurteilen zu lassen.
Das bedeutet zwar im positiven Sinne, dass die Freiheit der Betroffenen respektiert und an oberste Stelle gestellt wird, setzt diese aber auch in die Bringschuld, selbst darauf zu achten, dass sie die Sicherheit im Straßenverkehr nicht gefährden.